„Wie erkennen wir, was recht ist?“ Diese Frage stellt der Kern der eindrucksvollen Überlegungen von Papst Benedikt XVI. über die Grundlage des Rechts dar, die er während seiner letzten apostolischen Reise in Deutschland in seiner Rede im Bundestag ausgelegt hat. Ilsussidiario.net hat sich in einem exklusiven Interview mit dem Philosophen Nikolaus Lobkowicz, dem vormaligen Präsident der Ludwig-Maximilian-Universität in München, später der Katholischen Universität Eichstätt und zur Zeit Direktor des von ihm gegründeten Zentralinstitutes für Mittel- und Osteuropastudien darüber unterhalten.



Professor Lobkowicz, meinen Sie, die von Papst Benedikt XVI. im Bundestag gehaltene Rede sei sehr wichtig?

Es war zwar nicht das erste Mal, dass ein Papst vor einem Parlament gesprochen hat; denken Sie an die Reden Paul VI. und Johannes Paul II. vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Aber es ist das erste Mal, dass ein Papst auf Einladung des Vorsitzenden des deutschen Parlamentes vor diesem eine Rede gehalten hat. Deutschland ist das Herkunftsland Martin Luthers, des Mannes, auf den die erste große neuzeitliche Spaltung der Christenheit zurückgeht; die meisten weiteren Spaltungen waren direkte oder indirekte Folgen dieses Ereignisses. Gewiss folgte Benedikt XVI. zunächst einmal der Einladung des Parlamentes seines Heimatlandes; aber die eigentliche Bedeutung seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag sehe ich darin, dass sie in seine Bemühungen hineinpasst, die „Wiedervereinigung“ der Christen voranzutreiben.



Eine Wiedervereinigung? Ist dies ein realistischer Vorschlag?

Diese Wiedervereinigung ist für einen Katholiken unweigerlich eine „Zurückführung“, zwar nicht unbedingt zur römisch-katholischen Kirche, wie sie heute aussieht, aber doch zur Gemeinschaft der Christen, wie der Herr sie beabsichtigte und als deren Vertreterin sich die Katholische Kirche immer verstand und bis heute versteht. Natürlich wurde Benedikt XVI. als Haupt eines Staates, der Vatikanstadt, geladen. Aber jeder verstand diese Einladung nicht als Einladung von Staat zu Staat, sondern als Einladung an jenen, der das Haupt der weitaus größten christlichen Gemeinschaft ist, einer Gemeinschaft, die sich als die emeinschaft der Christen versteht, von der sich alle anderen getrennt haben. Freilich ist Deutschland heute nicht nur ein Land von Katholiken und Protestanten. Viele Mitglieder des deutschen Parlaments sind mehr oder weniger ausdrücklich Atheisten. Deshalb wählte Benedikt XVI. unter den vielen möglichen Varianten der Ansprache eine Rede, die nicht das spezifisch Katholische, ja nicht einmal das spezifisch Christliche, sondern das gleichsam Naturrechtliche betonte. Was die Kirche `Naturrecht´ nennt, mag zwar aus der Sicht eines Katholiken in besonderer Weise einsichtig sein, aber letztlich ist es jedem, gleich ob er Christ ist oder nicht, zugänglich. Die Naturrechtslehre beruft sich auf die Schöpfungsordnung, nicht spezifisch auf das Erlösungswerk Jesu Christi.



Laut Papst Benedikt können wir das, was recht ist, unmöglich erschließen und begründen ohne den Begriff „Natur“ wiederaufzunehmen. Warum?

Weil man, um zu entdecken, was richtig ist, der Frage nachgehen muss, was (oder: wer) der Mensch ist. Unter `Natur´ wird in diesem Zusammenhang nicht, oder nur nebenbei, die außermenschliche Wirklichkeit, sondern das Wesen des Menschen verstanden: des Menschen, wie ihn Gott erschaffen und insofern gewollt hat. Dieser Mensch ist durch die Sünde, die „Erbsünde“, beschädigt. Aber sein Wesen ist dadurch nicht zerstört – wie die Protestanten behaupten. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem katholischen und dem protestantischen Verständnis des Menschen besteht darin, dass für Luther nichts, was der Mensch tut, ohne Gottes Gnade in Ordnung und gut sein kann, während die Katholische Kirche immer vertreten hat, dass Gnade die Natur vollendet, sie also voraussetzt und auf ihr aufbaut. Paradoxer Weise hat das protestantische Verständnis des Menschen dazu geführt, das man fast gar nicht mehr von dem sprechen kann, was der Mensch seinem Wesen nach ist.

Können Sie bitte dies noch deutlicher erklären?

Weil alles durch die Sünde bis in seine letzten Wurzeln zerstört ist, darf der Mensch am Ende alles tun, was ihm einfällt; auch die größte Perversion ist am Ende legitim oder doch verständlich, weil Gott es ihm, falls er es bereut, als gnädiger Gott verzeiht. Sozusagen verzeihen muss: wo nichts Menschliches von sich aus legitim ist, muss alles, was der Mensch ist und tut, vergeben werden. Demgegenüber hat die Katholische Kirche immer vertreten, dass der Mensch trotz der Beschädigung durch die Ursünde seinem Wesen nach gut ist. Er muss bloß seinem Wesen entsprechend handeln und leben, nicht entgegen seinem Wesen. Gnade baut auf diesem Wesen auf, vollendet es. Gewiss fehlt etwas, wenn die Gnade fehlt, also etwa, wenn ein Mensch Christus nicht begegnet war und getauft worden ist. Aber das bedeutet nicht, dass jenes oder jener, dem etwas fehlt, unvermeidlich schlecht oder gar böse ist.

Wird das also von den Heiden bestätigt, wie der Hl. Paulus behauptete?

Dem Heiden, auch jenem der modernen Welt fehlt etwas, aber deshalb ist er noch nicht automatisch ein am Ende zu verdammender und verdammter Bösewicht. Insofern ist die katholische Lehre eine Einladung Gott kennen zu lernen und näher zu kommen, während die protestantische am Ende immer der Versuch einer Rettung vor der Verdammnis ist. Teilweise hat die fast absurde Radikalität dieser, der protestantischen, Konzeption dazu geführt, dass man meint, im Grunde sei alles, was der Mensch sich und anderen antut, nachvollziehbar und deshalb auch verzeihbar. Natürlich muss man dabei berücksichtigen, dass es die protestantische Lehre fast von Anfang nicht gab, sie zerfiel von Anfang an in eine ständig wachsende Zahl von Varianten. Manche von ihnen haben sich sogar der katholischen Perspektive wieder angenähert.

Worin besteht Ihrer Meinung nach der Kern der ganzen Rede und warum?

Da er zu Menschen sehr verschiedener Überzeugung sprach, hat der Papst fast wie ein Philosoph, natürlich ein christlicher, nicht primär wie ein Theologe gesprochen  Das ist ihm insofern leicht gefallen, als Ratzinger – ähnlich wie vor einem halben Jahrhundert Hans Urs von Balthasar oder Henri de Lubac – einer der gebildetsten Menschen unserer Zeit, auch einer der Gebildetsten der langen Geschichte der Bischöfe von Rom ist. Als den zentralen Gedanken seiner Rede würde ich die Einsicht sehen, dass man bis zu einem bestimmten Punkt nicht ein gläubiger Christ sein muss, um zu erkennen, was recht und gerecht ist, was dem Menschen zusteht und was nicht. Eben deshalb hat seine Rede auch Abgeordnete beeindruckt, die vom christlichen Glauben nichts wissen wollen. Sie hätte wohl auch jene beeindruckt, die seine Rede nicht hören wollten und deshalb fernblieben. Mehrheiten können nicht darüber entscheiden, was wahr oder falsch, gerecht oder ungerecht ist, dem Menschen gut tut oder Schaden anrichtet. Dazu bedarf es der richtigen Einsicht in das Wesen der Wirklichkeit und zumal des Menschen – einer Einsicht, deren Möglichkeit und Dringlichkeit die Katholische Kirche stets bejaht hat. Der christliche Glaube verneint diese Einsicht nicht, sondern vollendet sie.

Der Heilige Vater erwähnte mehrmals das „fügsame Herz“ (wörtlich das „hörende Herz“). Das Herz wird als ‚Vernunft‘ aber auch als ‚Gewissen‘ definiert. Ist dieser Begriff nicht ein bisschen… verwirrend? Warum?

Es gibt zwei Umschreibungen dessen, was man `Gewissen´ nennt. Einerseits wird Gewissen als eine mahnende und in Zweifelfall verurteilende Stimme im Hintergrund unseres Bewusstseins beschrieben; andererseits meint man mit diesem Begriff eine Folgerung, aufgrund deren wir wissen können, welche unserer Handlungen sittlich oder unsittlich, falsch oder richtig wäre bzw. war. Bei der letzteren Umschreibung spielt Vernunft eine entscheidende Rolle. Wenn man überlegt, was das Vernünftige ist oder wäre, sucht man nach der richtigen Handlungsweise. Nur muss man dabei eben beachten, dass `vernünftig´ und `richtig´ in diesem Falle etwas völlig Anderes als `schlau´ oder `erfolgsversprechend´ oder ähnlich bedeutet. Vernünftig sind in diesem Sinne jene Entscheidungen und Handlungen, die alles, was berücksichtigt werden muss, auch wirklich einbeziehen, etwa dass Gott uns mit unserem Wesen auch eine sittliche Ordnung geschenkt hat und dass wir diese Ordnung beachten und in jede unserer Entscheidungen einbeziehen sollten.

Meint der Papst dies, wenn er vom „hörenden Herz” spricht?

Worauf der Papst mit dem Hinweis auf unser „hörendes Herz“ anspielt, ist genau dies: wenn wir auf unser Gewissen hören, hören wir auf die Vernunft in diesem Sinne. Dies setzt natürlich voraus, dass wir nicht auf Prämissen einer Ideologie hören, welche die Wirklichkeit verfälscht. Im Grunde kennt das jeder von uns: wir wissen, was „das Richtige“ wäre, reden uns aber ständig ein, dass etwas Anderes richtig wäre, oft so lange, dass unser Gewissen „verstummt“, seine mahnende Stimme nicht mehr zu hören ist. Wenn ich jemand quäle oder umbringe, meine Frau betrüge oder etwas stehle, weiß ich – unabhängig von meiner Weltanschauung – im Grunde immer, das es „nicht richtig“ ist; bloß rede ich mir ein, unter den Voraussetzung meiner Umstände sei es doch richtig oder gar geboten. Dabei weiß ich genau, dass ich mir etwas vormache, aber „überspiele“ es sozusagen, rede mir etwas ein, belüge mich.

Im ersten Teil seiner Rede sagt der Papst, dass das, „was recht ist“ nicht mehr evident ist. Welchen Weg sollen wir gehen bzw. welcher Methode sollen wir folgen, um diese Evidenz zurück zu gewinnen? Wie können wir postmoderne Menschen diesen Weg finden?

Was ich eben dargestellt habe, ist durch den Schwund der christlichen Traditionen in unserer Kultur immer weniger deutlich zu erkennen. Seit dem Mittelalter (Ratzinger hat seine Habilitationsarbeit an der Universität München über Bonaventura geschrieben) sind immer häufiger Philosophien oder allgemeiner Denkweisen entstanden, die christliche Traditionen und damit auch die vom Christentum aufgegriffenen Teile des Denkens der vorchristlichen Antike ausgeblendet und sozusagen verleugnet haben. Dies hat auch einen Schwund oder doch eine Verwässerung der traditionellen Überzeugungen davon, was „richtig“ ist, bewirkt. Ich halte die Redewendung von der „Postmoderne“ im Grunde für ein Geschwätz. Denn der Bruch ist sehr viel älter, zumal in der deutschen Kultur. Denker wie Kant, Hegel oder Nietzsche, die allerlei Richtiges zu sagen hatten, aber doch in wesentlichen Fragen die Wahrheit verdunkelt haben, haben die deutsche Kultur maßgeblich geprägt. Obwohl etwa Hegel entsetzt gewesen wäre, wenn er die Ideologie der Nationalsozialisten oder Kommunisten kennen gelernt hätte, gehen so manche Überzeugungen der Gegenwart insbesondere in deutschsprachigen Ländern auf ihn und seine Erben zurück. Dadurch ist die Katholische Kirche in so mancher Hinsicht fast zur einzigen Institution geworden, die die großen Einsichten der abendländischen Kultur wach hält. Ich meine deshalb, dass die richtigen Überzeugungen darüber, was wahr, bedeutsam, richtig und recht ist, nur dadurch zurückzugewinnen sind, dass die Welt und zumal die deutschsprachigen Länder wieder „katholischer“ werden.

Was meinen Sie damit?

Ich meine damit nicht unbedingt, dass alle Katholiken werden müssten. Aber es geht um eine Denkweise, die nur Katholiken – und zu wesentlichem Teil auch gläubige Orthodoxe und Anglikaner – fortsetzen. Freilich möchte ich nicht ausschließen, dass wir uns einer Zeit nähern, die in der christlichen Tradition als jene des Antichristen beschrieben werden. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat etwa die von Wladimir Solowjew um 1900 dargestellte Vision vom Antichristen besondere Aktualität gewonnen. Vielleicht ist das Ende der Menschheitsgeschichte, das „Ende der Welt“ näher, als wir gemeinhin denken …

Ist es notwendig, sich auf die schöpferische Vernunft Gottes zu beziehen, um Vernunft und Natur zu verbinden?

Weil letztlich nur die Vorstellung, dass Gott der Schöpfer einerseits aller Weltwirklichkeiten und andererseits eben auch unseres Verstandes ist, erlaubt, beides als aufeinander hingeordnet zu sehen. Wenn wir nichts als durch Zufall hochentwickelte Affen sind, leben wir in einer Welt, in der es allein um Überleben gehen kann – und der Mensch nicht immer überleben wird. Nur wenn man annimmt, dass Gott die Welt um des Menschen willen erschaffen hat, macht unsere Existenz in dieser Welt überhaupt einen Sinn. Für denjenigen, der in uns nur einen zufällig höherentwickelten Affen sieht, also alles nur dem Zufall einer blinden Evolution, die auch hätte ganz anders ausgehen können, zu verdanken ist, kann es keinen „objektiven“ Sinn der Existenz des Menschen geben. Dann sind wir eben nicht mehr als ein Zufallsprodukt, das eines Tages wieder verlöschen, verschwinden wird. Dann macht alles keinen Sinn – und ist der Mensch nichts als ein Prometheus, der eines Tages wieder verschwinden wird. Ich wundere mich zuweilen, wie Menschen eine solche Vorstellung überhaupt ertragen können; vermutlich können sie sie nur ertragen, weil sie sie nie zuende gedacht haben. Es gab – gerade im vergangenen Jahrhundert – Menschen, die angesichts dieser Vision Selbstmord begingen, sozusagen mit der Vorstellung, das Einzige, in dem wir uns noch bewähren, uns unsere Einmaligkeit beweisen könnten, bestehe darin, dass wir das einzige Lebewesen auf Erden sind, das sich selbst willentlich und wissentlich „abschaffen“ kann. Dostojewski hat diese Sicht der Dinge sehr eindringlich in seinem Roman Dämonen beschrieben …

Warum hat der Papst von der „ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren” gesprochen? Was ist die Bedeutung dieser Bezugnahme?

Schon Johannes Paul II. hatte von einer Pflicht des Christen gesprochen, die Umwelt vor Zerstörung zu bewahren, anstatt sie bloß auszunützen, bis nichts mehr übrig bleibt. Man darf nicht übersehen, dass die Bewegung und Partei der „Grünen“ in Deutschland zwar ursprünglich z.T. von Marxisten ausging, aber auch viele Christen angezogen hat, die die Zerstörung der Umwelt besorgt gemacht hat. Ich kenne selbst einige Grüne, die überzeugte Christen sind. Das Anliegen einer Bewahrung der Schöpfung ist mehr als bloß eine Sentimentalität; schließlich wollen wir alle in einer Welt leben, die nicht völlig ihre Ursprünglichkeit verloren hat. Dahinter  steht auch die Sorge um die Ernährung der ständig wachsenden Menschheit …

Warum ist die Naturrechtslehre nicht mehr so beliebt im katholischen Denken?

Das ist in der Tat ein Problem; ich würde es als eine bedenkliche „Protestantisierung“ von Teilen der katholischen Theologen und der von ihnen gelehrten Theologie beschreiben. Es gehört zur großen Tradition katholischer Theologie, die Naturrechtslehre als eine bedeutsame Voraussetzung und Implikation der Auslegung des Glaubens anzusehen. Das die Bereitschaft, sich mit diesem Thema zu befassen, schwindet, hat m.E. zwei Gründe: erstens den Einfluss in dieser Hinsicht agnostischer Protestanten („Allein die hl. Schrift zählt!“); und zweitens moderne Entwicklungen des Naturrechts, die ganz anders argumentieren als die christliche Tradition. Es kommt freilich auch hinzu, dass es nicht einfach ist, die klassische Naturrechtslehre der Katholischen Kirche weiterzuentwickeln; alles Wesentliche scheint schon gesagt worden zu sein. Die Bedeutung der Naturrechtslehre scheint mir vor allem darin zu bestehen, dass sie der Vorstellung widerspricht, es gäbe nur zwei Alternativen: moderne, oft völlig positivistische Naturwissenschaft und blinden, nahezu irrationalen Glauben. Schon lange, bevor er Papst wurde, hat Ratzinger die Bedeutung der dritten Alternative betont: Naturrechtslehre als Darstellung dessen, was sich aus dem rechtverstandenen Wesen des Menschen ergibt. Es geht darum, nicht eine bestimmte Sicht des Menschen zu vergessen: des Menschen als eines Geschöpfs, dem der christliche Glaube nicht etwa widerspricht, sondern den der Glaube vollendet …

Der Papst sagte letzten Freitag während des ökumenischen Gottesdienstes in Erfurt: „Der Glaube ist nicht etwas, was wir ausdenken oder aushandeln. Er ist die Grundlage, auf der wir leben”. Was bedeutet dies für den interreligiösen Dialog im christlichen Europa?

Bevor der Papst nach Deutschland kam, gab es in Deutschland und Österreich eine lebhafte, ja erregte Diskussion. Einerseits haben Protestanten gehofft, dass der Papst sozusagen Luther (und Calvin und Zwingli) wenigstens z.T. heilig spricht; andererseits gab es eine Bewegung unter katholischen Theologen, die das Zölibat abschaffen und am Ende sogar Frauen zu Priestern weihen lassen wollen. Dem gegenüber hat Benedikt XVI. betont, dass die Einheit der Christen bzw. deren Wiederherstellung am Ende nicht ein Werk der Menschen sein kann, also nicht – wie bei politischen Fragen – durch Verhandlungen und Kompromisse zu erreichen ist. Nur der Hl. Geist, nicht Verhandlung unter uns Menschlein kann den Weg weisen. Zugleich waren die Worte des hl. Vaters wohl auch ein Hinweis darauf, „wie weit wir schon gekommen sind“. Noch vor einem halben Jahrhundert wäre ein gemeinsames ökumenisches Gebet wie jenes in Erfurt undenkbar gewesen. Die Worte des Papstes, das Sie zitiert haben, erinnert an den „langen Atem“, der immer schon für die Katholische Kirche kennzeichnend war – die Bereitschaft offenen Herzens zuzuwarten, bis der Herr uns den Weg weist.